Christkind oder Weihnachtsmann?

Zwischen “Morgen kommt der Weihnachtsmann” und “Freue dich, Christkind kommt bald” kann man sich schonmal fragen, was es eigentlich mit den beiden unterschiedlichen Charakteren auf sich hat. Fakt ist, dass beide an Weihnachten christliche Haushalte besuchen und deren Kinder beschenken. Aber wo kommt das Christkind und wo kommt der Weihnachtsmann und warum gibt es überhaupt diese unterschiedlichen Charaktere?  

 

Wo das Christkind herkam und wo es heute ist 

 

Dort wo ich herkomme, haben sich Weihnachtsmann und Christkind bereits angefreundet. Im näheren Umkreis gibt es jährlich Christkindlesmärkte und Zuhause kommt trotzdem der Weihnachtsmann durch den Kamin. Doch das ist in weiten Teilen Deutschlands noch anders. In Süd- und Westdeutschland ist das besonders deutlich zu sehen. Natürlich gibt es zum Beispiel in Bayern auch den Weihnachtsmann und doch ist dort das Christkind am stärksten vertreten. Bekanntestes Beispiel dafür ist wohl der Nürnberger Christkindlesmarkt. 

Die heutige Ausbreitung des Christkindes, nämlich in vornehmlich katholischen Regionen, ist schon ironisch, wenn man bedenkt, welchen Ursprung diese Figur hat. Denn erfunden wurde das Christkind laut Wikipedia von niemand geringerem als Martin Luther. Da im 16. Jahrhundert noch der heilige Nikolaus den Platz des Weihnachtsmannes ausfüllte, suchte Luther ihn durch das Christkind zu ersetzen. Problematisch am Nikolaus war laut Luther die Verehrung von anderen Heiligen als Christus. Angemessener fand Luther die Verkörperung von Jesus selbst in Säuglingsform.

Diese Idee wurde in den folgenden Jahrhunderten von Protestanten begrüßt und erweitert. Endprodukt dieser Entwicklung war der Glaube an ein Christkind mit goldenen Locken, das jährlich zu Weihnachten auf die Erde hinabsteigt, wo es die Kinder Gottes beschenkt.  

Doch damit endet die Geschichte des Christkindes nicht. Denn im Laufe des 20. Jahrhunderts, als Religion stark an Bedeutung verlor, begannen die Grenzen zwischen dem katholischen Weihnachtsmann und dem protestantischen Christkind zu verschwimmen. Sie verschwammen so sehr, dass die Figuren ihre konfessionelle Verbindung verloren und das Christkind teilweise in katholischen Regionen beliebter wurde als in protestantischen.  

 

Wo wird es in der Zukunft hingehen?  

 

Neben konfessionellen Veränderungen hat das Christkind auch auf einer anderen Ebene Veränderungen erfahren. Das 20. Jahrhundert sah nämlich auch den kommerziellen Aufstieg des Weihnachtsmannes. Der freundliche und etwas rundliche alte Mann war im Kontext einer modernen Konsumgesellschaft ein besserer Kandidat. Das Christkind dagegen steht heute eher für christlichen Kitsch und steht im Schatten des Weihnachtsmannes.

Die Zukunft des heiligen Säuglings ist ungewiss. Die Bedeutung des Weihnachtsmannes wird er wohl nicht mehr anfechten, aber verschwinden wird er wohl auch nicht. Schließlich wird er in zahlreichen Weihnachtsliedern besungen und der Nürnberger Christkindlesmarkt wird sein Maskottchen nicht so schnell vergessen. Besonders stark christliche Haushalte, ob katholisch oder protestantisch, werden die Tradition des kleinen Heilsbringers wohl noch für viele Jahre pflegen.  

 

Entweder oder? 

 

Ist Deutschland nun gespalten wie es unter anderem Ina Mersch von der ARD versteht? Ich denke nicht. Der Bedeutungswandel des Christkindes zeigt alles andere als eine Spaltung der Nation, wenn überhaupt beweist er das Gegenteil: einen regen Austausch zwischen den unterschiedlichen Haushalten und christlichen Konfessionen Deutschlands. Aus diesem Grund ist es auch ziemlich egal, ob nun an Weihnachten der Weihnachtsmann, das Christkind oder gar beide erscheinen.

Was am Ende zählt ist, dass unsere Kinder, die in ihren Weihnachtspullis sehnsüchtig auf ihre Geschenke warten, glücklich sind. Das geht mit dem Christkind in Bayern, dem Weihnachtsmann in Berlin oder beiden in Baden-Württemberg. Zum Weihnachtsfest sind sie alle willkommen! Sogar Väterchen Frost...